Gefallensystem
In der Spielwelt sind vor allem Informationen und Wissen, Fähigkeiten und Erfahrung, Einfluss und Macht sowie das Gefallensystem von Interesse und elementarer Bestandteil der "Währung" der vampirischen Gesellschaft. Finanzielle Mittel und Sachgüter werden in der Regel als sekundär erachtet. Sie sind durchaus nützlich, keine Frage, sie können Macht und Status erweitern, zahlreiche Optionen eröffnen oder schlicht einen gehobenen Lebensstil ermöglichen, aber sie führen Handel und Austausch in den Reihen der Vampire nicht an.
Hier ein kurzer Einblick in das Gefallensystem:
Jeder Charakter stößt unweigerlich immer wieder auf Situationen und Herausforderungen, die er nicht allein bestreiten kann. Gegenseitige Unterstützung, Hilfe, Gefälligkeiten und die daraus resultierenden Schulden begründen Aktionen, Handlungen und Motivationen der Figuren. Je nach Ausmaß der gewährten Fürsprache oder Unterstützung wird von kleinen, mittleren und großen Gefallen gesprochen. Sehr umfassende oder riskante Leistungen können sogar eine Lebensschuld begründen. Darüber hinaus klassifiziert sich ein Gefallen auch über den jeweiligen Status von Gläubiger und Schuldner. Beispielsweise ist ein ausstehender kleiner Gefallen bei einem Ahnen mehr wert als ein kleiner Gefallen bei einem Neonaten.
Das Gefallensystem ist ein Sumpf von Absprache, Schacherei, Verpflichtung und Einforderung. Jeder Kainit kennt die undurchsichtige Verbindlichkeit dieses Systems. Kein Kainit vergisst seine Schulden oder die Schulden, die seitens anderer ausstehen – auch über Jahre und Jahrhunderte nicht. Wer das System über die Maße beugt oder beispielsweise Schulden zu unterschlagen versucht, wird früher oder später Konsequenzen spüren. Gefallen und Schulden sind Ehrensache. Jeder Charakter, egal welchem Clan und welcher Sekte er angehört, weiß um die Verbindlichkeit dieses uralten Systems. Bei der Vereinbarung der Wertigkeit eines Gefallens sind Wucherei beim Gläubiger und dreistes Drücken beim Schuldner gleichermaßen deplatziert. Der Umgang mit dem Gefallensystem beeinflusst den gesellschaftlichen Stand und die Reputation eines Charakters. Unzuverlässigkeit oder eine irreguläre Handhabe des Gefallensystems können zum gesellschaftlichen Fall einer Figur führen.
Schulden und sich hieraus ableitende Verbindungen zwischen Personen werden öffentlich oder diskret vereinbart. Dies ist von der Situation, vom Gegenstand der Verhandlung und den Beteiligten abhängig. Wann bestehende Schulden eingefordert werden, obliegt dem Gläubiger. Für den Schuldner ist es zumeist nicht angenehm, unvorbereitet und abrupt in die Pflicht genommen zu werden, doch das eherne Gefallensystem lässt kaum bis keine Wahl. Schuld ist Schuld. Eine Ablehnung einer angefragten und noch ausstehenden Gegenleistung ist zwar situativ möglich und kann auf ein anderes Anliegen verschoben werden, dies sollte aber nur bei wirklich triftigen Gründen erwogen werden - ein Ablehnen und Verschieben offener Gegenleistungen kann zu gesellschaftlichen Nachteilen führen.
Gelegentlich werden Gefallen und Schulden auch interpersonell verschoben. So ist es beispielsweise möglich, dass als Bezahlung für eine angefragte Unterstützung durch Person X eine noch nicht eingelöste Gegenleistung bzw. eine noch offene Schuld einer eigentlich in der betreffenden Causa nicht involvierten Person Y angeboten wird. Der Schuldner, dessen Schuld nun von dem einstigen Gläubiger auf einen anderen übergeht, ist jedoch zwingend über die Weitergabe seiner Schuld zu informieren. Die Weitergabe von Gefallen oder Schulden ist für alle Beteiligten heikel und erfordert eine detaillierte Absprache.
In verquerer Art und Weise können bestehende Schulden sogar als Schutz dienen. Wenn ein Kainit viele noch ausstehende Schulden angehäuft hat _und_ die betreffende Figur in der Gesellschaft grundsätzlich als etabliert, fähig und solide eingeschätzt wird, gibt es eine entsprechend große Anzahl Personen, die diesen Kainiten als ihr Kapital betrachten und nur ungern missen möchte. Andersherum mag natürlich auch das Interesse aufkommen, einen Gläubiger "durch einen tragischen Unfall" aus dem Weg zu räumen, möchte ein Schuldner seine ausstehenden Gegenleistungen umgehen. Eine solche Befreiung von bestehenden Schulden birgt aber hohe Risiken.